Knapp vorbei ist auch daneben

21.08.2010 12:13:36 | BLOG | Steigele | BLOG | 0 Kommentare


Was passiert eigentlich mit einem Framework wie ITIL, wenn man sich von seiner eigenen Kernkundschaft abwendet?

Ja, genau das wage ich hier einmal zu thematisieren. Obwohl ich selbst von Trainings rund um ITIL lebe, obwohl ich durchaus auch den Nutzen der Überarbeitung durch AXELOS erkennen kann, stelle ich folgendes fest.

Genau mit dem, dass Sie den Geburtsfehler der ITIL3 eliminiert haben, haben Sie sich einen gleichartigen, potentiellen Rohrkrepierer ins Boot geholt.


Die Stärke der ITIL®3 war es all jenen, die Services managen wollten, einen Handlungsrahmen und ein adaptierbares Prozessrahmenwerk zu liefern. In Zeiten von Stress, Umstrukturierung und permanenter "Squeezing the Orange-Attitude" durch das Business ein willkommenes "Manna", das hier vom Himmel gefallen kam.

Nicht umsonst wurden Myriaden von Gläubigen ausgebildet, endlich erkannte man was "richtig", was "falsch" und in Einzelfällen sogar was für einen Servicekunden zielführend war.

Einzig der Umstand, wie man launischen Kunden werthaltige Services liefern konnte, respektive, wie man Kunden digital an sich bindet, damit Sie darob eines Überangebotes an Alternativen nicht abbüchsen, der wurde in der ITIL3 tunlichst ignoriert.

Jetzt ist es genau umgekehrt:
Man kümmert sich um den Kunden draussen, kocht die Servicevalue-Co-Creation Suppe einmal neu auf, begibt sich in die diffuse wertstromgetriebene "Prozess-Diffusion" und vergrault damit genau die zahlungskräftige Clientel, welche dafür verantwortlich war, dass Capita erst die Rechte für ITIL3 erwarb und nun mit seinem neuerlichten Setup in eine derzeit noch ungewisse Zukunft schoss.

Aber denken wir mal kurz nach. Entscheiden, ob oder ob man nicht auf einen ITIL-Kurs geschickt wird, wird in der Regel eine interne Führungskraft. Eine, die nicht nur darauf achtet, dass sich innerhalb der eigenen IT-Strukturen eine flexible, energieschonende und ergebnisträchtige Servicekultur etabliert (Fokus vom Customer Journey, vom Service-Value-Stream, eingebettet in ein Service-Value-System), sondern eine, die nach wie vor von Fachabteilungen umringt ist, die genauso wie Fachbereichsleiter danach belohnt und alimentiert werden wie effektiv und effizient Entscheide gefällt werden.

Nehmen wir also mal die Struktur eines typischen Journey von internen Entscheidern und Anwendern zur Hand:

Eigentlich dürfte man doch annehmen, dass die Kollegen aus der AXELOS-ITIL-Brewery nicht nur Wertströme vom Kunden zur Organisation, sondern auch innerorganisatorisch, und noch weiter rückwärtsgewandt auch zu den Lieferanten in Petto haben müssten, irgendwo literarisch erwähnt haben und damit genau die ansprechen, welche in Zukunft, ihre Kurse, Bücher und andere Schandtaten bezahlen.

Doch zur Frage: "Wie gestaltet man Wertströme, die interne Strukturen betreffen" und "Wie sehen Stakeholder Journeys aus", die interne Planer, Entscheider, Umsetzer, Berater betreffen findet sich in der Literatur zur "Foundations" nichts, nicht einmal eine Fussnote oder Referenz.

Etwas kryptisch finden sich ein paar Andeutungen bei den Beschreibungen der "Value Chain Aktivitäten" im Kapitel 4.5 des Foundations-Bandes und in der Andeutung von Servicerelationships zwischen verschiedenen Serviceorganisationen (siehe Kapitel 2.4), aber das wars denn dann auch schon.

Genau hier setze ich folgende Annahme. Wenn man die jetzt verfügbare Basisliteratur als "Rahmen" für die noch kommenden Publikationen rund um die Practices und rund um die schon als Kursrahmen festgelegten Bereiche ansieht, und dies mit dem offiziellen Glossar zusätzlich absichert, so haben wir den maximalen Rahmen für die vertiefende Literatur, die da noch kommen mag. Wenn also im Foundations Teil nichts da ist, wirds auch bei der Vertiefung so bleiben.

Damit haben die englischen Vorreiter des Servicemanagements ihren eigenen Kunden einen Bärendienst, und dem einen oder anderen Berater einen ungewollt gewaltigen Gefallen getan.

Sie haben die Bedürfnisse ihrer eigenen, heute prozessgetriebenen und transformationsgeplagten, Stammclientel (interne Entscheider) nicht beachtet, sondern etwas revolutionär Neues und Gutes aus dem Boden gestampft, das nur schwer an jene vermittelt werden kann, die vorher in eine ganz andere Richtung konditioniert wurden.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Hoffnung:

Denn für all die, die Orientierungshilfen, Konzepte, Beispiele und Wissensträger brauchen, welche nach wie vor die Masse der internen Stakeholder und Kunden in ihren Anpassungs-, Modernisierungs- und Transformationsbestrebungen unterstützen wollen, ergibt sich ein hoffnungsvoller Umstand. Um das Problem haben sich schon vor AXELOS andere gekümmert, mit ein bisschen Recherche wird man schnell fündig.

Hier ein Link dazu. Im Quellenverzeichnis zu diesem Werk gibts noch mehr an Substanz. Es ist also noch nicht alles verloren.